Eisenbahnerstadt

Warum wurde Gemünden zur Eisenbahnerstadt und zum Eisenbahnknotenpunkt? Und wieso gab es einen bayerischen und einen preußischen Bahnhof in Gemünden? Lesen Sie hier mehr über die Hintergründe:

Das bisher durch Fischfang und Weinanbau dominierte kleine Städtchen Gemünden am Main durchbrach 20 Jahre nach der ersten Eisenbahnfahrt in Deutschland sein Dornröschendasein.

Der Grund lag in der Gestaltung der Landschaft durch den Bau der Eisenbahnstrecke von Würzburg über den Spessart in Richtung Aschaffenburg. Vorangegangen waren einige Jahre heftigen Disputes über den Sinn einer derartigen Verkehrsverbindung. Immer wieder wurde das Argument hervorgebracht, dass die Schifffahrt stark darunter zu leiden hatte. Oder anders ausgedrückt: der Wandel der Zeit hat schon immer seine Gegner gehabt. So war es und so ist es auch noch heute.

Lassen wir die geschichtlichen Abläufe einmal außer Acht und haben ein Augenmerk auf die Veränderungen, welche die Verlegung der Streckenführung für die Stadt selbst mit sich brachte.

Bilder zeigten, dass der Main bis fast an die Häuser reichte. Und die Strecke konnte nur zwischen der Stadt und dem Main selbst gebaut werden. Also musste ein Damm aufgeschüttet werden , der etwas höher liegen sollte als das „damalige Jahrhunderthochwasser“. Zu sehen ist dieses Bauwerk bis heute!

Eisenbahnerstadt Gemünden mit Dampflokomotive
Altstadt Gemünden mit Eisenbahn

Wer kann sich heute noch vorstellen, wie mühsam das Schüttmaterial herbei geholt werden musste, wie viele Menschen notwendig waren um den sehr langen Damm aufzuschütten! Und woher wurde das Material geholt? Wie viele Fuhrwerke waren im Einsatz? Alles in Handarbeit – heute undenkbar!

Eisenbahnknotenpunkt Gemünden

Warum eigentlich diese mühselige Arbeit in einem engen Talbereich des Maines? Des Rätsels Lösung lag im Gemündener Wasser: es war das weichste in der gesamten Umgebung. Dampflokomotiven brauchen Wasser und Feuer um Dampf zu erzeugen. Beim Erhitzen des Wassers fällt der gelöste Kalk aus. Er setzt sich im Kessel ab und dadurch nimmt die Dampferzeugung ab. Das war der Grund, weshalb die Lokomotiven öfters zur Kesselreinigung mussten und nicht dem Bahnverkehr zur Verfügung standen. Deshalb fiel die Wahl auf Gemünden.

Einige Jahre nach der ersten offiziellen Fahrt am 1. Oktober 1854 war man froh über die Lage in Gemünden. Die kurhessische Bahn (zu Preußen gehörig) wollte einen Anschluss an die Ludwigs-Westbahn legen. Hier bot sich die Strecke aus Jossa über das Sinntal nach Gemünden an.

Die meisten Eisenbahnstrecken der damaligen Zeit wurden immer entlang von Flussläufen gebaut. Durch die Ausnutzung der geografischen Gegebenheiten, kamen die Planer mit sehr wenigen Tunnelbauten aus. Steigungsstrecken, wie wir sie heute als Selbstverständlichkeit ansehen, waren noch utopisch. Beispielhaft sei auf die Schiefe Ebene zwischen Neuenmarkt-Wirsberg und Marktschorgast, die erste Steilstrecke in Europa und am 1.11.1848 eröffnet, hingewiesen.

Bayerischer und preußischer Bahnhof
Preußischer Bahnhof in Gemünden
Preußischer Bahnhof in Gemünden

Der preußische Bahnanschluss hat in Gemünden zu einigen, heute schmunzelnd zu lesenden Erscheinungen geführt. Jede Bahnverwaltung musste sein eigenes Bahnhofsgebäude und auch eigenes Personal haben. Das war auch der Grund, warum es in Gemünden, wenige Meter voneinander entfernt gelegen, zwei Bahnhofsgebäude gab.

Und nicht nur das: bis zum Jahr 1890 gab es im Gemündener Bahnhofsbereich zwei Uhrzeiten. Auf dem bayerischen Teil galt die Münchener Zeit und, 300 m weiter auf dem preußischen Bahnhof, die Berliner Zeit. Der Unterschied betrug 7 Minuten! War es in Berlin 12:00 Uhr, standen die Uhrzeiger in Gemünden auf 11:53 Uhr, während es in Stuttgart (Königreich Württemberg) 11:37 Uhr war.

Erst im Jahr 1893 wurde im Deutschen Reich, besonders auf Druck durch die Eisenbahngesellschaften, eine zentrale Zeit (die heutige MEZ) eingeführt. Bis zu diesem Zeitpunkt musste mit 10 verschiedenen Zeitzonen im Deutschen Reich gelebt werden (rund um den Bodensee gab es 7 Zeitzonen!).

Nachdem nun auch die Verbindung durch das Saaletal nach Bad Kissingen über Hammelburg im Jahr 1884 eröffnet worden war, konnte sich Gemünden als eine wirkliche Eisenbahnerstadt bezeichnen, der Eisenbahnknotenpunkt war geboren.

Literaturhinweis:
Gemünden und die Eisenbahn, Heft 5 Historischer Verein Gemünden a. Main und Umgebung e.V.

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